ι mrs blues studies on table manners, today´s n°01

hoteldumarc01

Auf Anregung von Countess Claire und Marléna geht es heute erstmals um die unterschiedlichen Auffassungen von Tischmanieren. Dieses heiße Eisen habe ich hier schon einmal kurz angefasst, und hole jetzt für Euch die Kartoffeln aus dem Feuer!

Da das umfangreiche Regelwerk der Tischmanieren definitiv den Rahmen  eines Posts sprengt, wird es einfach eine kleine Serie geben.

Gestartet wird heute exklusiv mit dem wichtigen Teilbereich „Besteck“. Dem Werkzeug als Hilfsmittel der Hände, um Speisen im besten Fall elegant in den Mund zu bekommen.

In unseren Breitengraden gilt als Voraussetzung für den richtigen Umgang mit Besteck zunächst einmal die richtige Haltung. Abgesehen vom „Ordentlich sitzen“ heißt dies in großen Teilen Europas:

Beide Hände auf den Tisch! Maximal bis zu den Handgelenken. Sozusagen Kante an Kante. Immer perfekt: in entspannter, halb liegender Form, leicht angewinkelt.

Warum bei den Amerikanern nur eine Hand auf dem Tisch liegt, während die andere scheinbar unter der Tischplatte hängt, wurde mir so einfach wie einleuchtend von einem versierten USA-Kenner erklärt:

Zunächst einmal schneidet der Amerikaner zu Beginn der Mahlzeit alle Speisen mundgerecht klein (ähnlich zu den Engländern). Dann legt er das Messer ab. Als Ausdruck der Höflichkeit gegenüber seinen Tischgenossen!

Mit einer Hand führt er nun die Gabel, um das Kleingeschnittene zu verspeisen. Die andere Hand unter der Tischplatte liegt auf dem (nicht mehr vorhandenen!) Colt!!! Beziehungsweise  lag sie früher sicherheitshalber auf dem (entsicherten) Colt!

So ist das! Es handelt sich schlicht um ein Relikt aus der Wild Wild West Epoche dieses noch so jungen Landes. Es hilft doch immer, wenn man etwas endlich versteht.

Die Asiaten hingegen sind bei gemeinsamen Mahlzeiten aus Grundsätzen der Höflichkeit komplett unbewaffnet. Unsere Verwendung von Messer und Gabel bei Tisch halten sie für mittelalterlich vulgär.

Die Speisen werden bereits in der Küche so vorbereitet, dass niemand Messer oder Gabel zum Essen benötigt! Man kommt mit den berühmten Stäbchen aus, die eine gewisse Kunstfertigkeit in ihrem Umgang verlangen.

So vornehm die asiatische Ablehnung von Gabel und Messer bei Tisch sein mag, so seltsam scheint dem Europäer die speziell asiatische Maßnahme, unter Verwendung der Stäbchen die Teller und Schalen durch Ansetzen an den Mund vollständig zu leeren.

Womit wir wieder bei der europäischen Verwendung von Messer und Gabel wären. Ist es nicht ein Graus, wie damit manchmal herumgefuhrwerkt wird? Hier deshalb ein kleiner Auszug zur formalen Etikette im Umgang mit Besteck, wenn man nicht gerade informell im Biergarten sitzt:

  1. Gabel links, Messer rechts. Immer über dem Teller halten. Nie höher als in einem Winkel von maximal 45°. Je flacher, desto besser. NIEMALS damit herumfuchteln!
  2. Das einmal in die Hand genommene Besteck berührt den Esstisch NICHT mehr.
  3. Aus Gründen der Höflichkeit: die scharfe Seite des Messers, die Messerschneide, zeigt immer zu einem selbst.  Auch, wenn man das Messer ablegt (natürlich nur auf den Teller).
  4. Die Gabel will zum Mund. Nicht andersherum! Sonst könnte man ja gleich den Teller an die Lippen setzen und reinschaufeln…
  5. Der Löffel hat es in sich, die Meinungen sind hier geteilt: bei Engländern gilt es als unfein, die Laffe gespitzt in den Mund zu führen. Man schlürft seitlich. Was hierzulande für Unverständnis sorgt. Hauptsache, keine Geräuschentwicklung, oder?
  6. Schließt man einen Gang ab, wird das Besteck erst parallel auf den Teller gelegt, wenn die / der GastgeberIn, wahlweise die / der Angebetete auch soweit ist. Bis dahin liegt das Besteck wie ein offenes Dreieck, d. h. die Spitzen von Gabel und Messer berühren sich oder überkreuzen sich leicht (Gabelzinken zeigen nach unten, Messerschneide nach innen!)
  7. Und wenn der /die GastgeberIn (bzw. der / die Angebetete) die Serviette neben den Teller legt, ist die Mahlzeit (leider, in jedem Fall) beendet.
  8. Hach ja, Tischmanieren, ein wirklich unerschöpfliches Thema …  habe ich noch etwas Wesentliches zum Teilthema Besteck vergessen? Diese Liste ließe sich wahrscheinlich noch unendlich weiterführen.

Die Serie „mrs blues studies on table manners“ geht jedenfalls bei Gelegenheit weiter mit der Sinnfrage nach der richtigen Kindererziehung bei Tisch, den Do´s and Don´t s an einer Festtafel, und den kulturellen und sozialen Unterschieden beim Halten einer Tee- oder Kaffeetasse mit oder ohne Untertasse!

So long, und hoffentlich haben wir jetzt bald endlich  mal das richtige Wetter für den Biergarten : ) XX

ddb57dc87055b876502ef7f7d1c2359b

ket04

800px-Liebermann_Restaurant_Jacob

photo credits: n°01 veuve-clicquot.com ι n°02+03 pinterest ι n°04 wikimedia, Max Liebermann, Terrasse im Restaurant Jacob in Nienstedten an der Elbe, 1902.

© www.dieblauenstunden.com

Related Posts Plugin for WordPress, Blogger...

16 Thoughts on “ι mrs blues studies on table manners, today´s n°01

  1. Pingback: ι mrs blue´s studies on table manners, today´s n° 03 | dieblauenstunden.com

  2. Pingback: ι mrs blues studies on table manners, today´s n°02: children at table | dieblauenstunden.com

  3. esmeralda on 30. Mai 2013 at 09:15 said:

    quite entertaining…… und außerdem noch so, wie meine Mutter es mir auch beigebracht hat….. scharf geschossen wegen der Tischmanieren wurde jedenfalls bei uns nicht…… manchmal wurden allerdings so kleine Silberknochen herausgeholt…. Besteckbänkchen nannte man sie… die waren uns Kindern dann doch einen Tick zu umständlich…. was Anlaß zu Faxen gab…..

  4. Hallo Julia
    very interesting! Vor allem die verschiedenen Ansichten und Meinungen der einzelnen Nationen hast du klasse dargestellt.
    Gibt es konkreten Anlass für diese post-Serie? Nervt dich die Verrohung der Tischmanieren oder fallen dir einfach immer mal wieder Fauxpas bei den Tischgepflogenheiten auf?
    liebe Grüsse
    Susanne

    • ach, ich finds einfach sehr interessant, wie unterschiedlich die Auffassungen davon sein können, was “bei Tisch” richtig und was falsch ist.
      Vor allem wenn man verreist, selbst “nur” innerhalb von Europa, kann man ja schon riesige Unterschiede feststellen.
      Beispiel Geschirr abräumen: In Italien wird der Teller abgeräumt, sobald er leer ist, egal, wie weit die Tischnachbarn sind. In Deutschland wird der Gang erst abgeräumt, wenn alle damit fertig sind. In Griechenland, so hab ich es zumindest bei nicht förmlichen Essen erlebt, räumt man erst zwischen den Gängen ab, wenn kein Platz mehr auf dem Tisch ist.
      Über solche kulturellen Unterschiede könnte man ja ganze Bücher schreiben… : )

  5. Das sind ja tolle Fakten. Wusste ich gar nicht, die Sache mit dem Colt. Die Typen damals waren wohl alle Beidhänder, oder? Also ich könnte beides nur mit rechts, schießen und essen. Müsste also immer die Gabel wegwerfen, bevor ich zum Schuss komme :-) Nein, im Ernst, interessanter Beitrag.

    • jetzt wo Du es sagst … Aber ich könnte mir vorstellen das es zumindest noch zu Colts Zeiten jedem Ami überlassen war, mit welcher Hand er die Gabel bzw. den Colt führte : )

  6. hippo on 29. Mai 2013 at 12:19 said:

    Wenn man in die Wiener Hofburg geht, sieht man auch den Tisch wo Kaiser
    Franz-Josef mit seinem Hofstaat getafelt hat. Sobald der Kaiser sass, wurde
    ihm serviert und er fing an zu speisen. Dann wurde den anderen serviert,
    immer der Reihe nach, von “oben” nach “unten”.

    Wenn der Kaiser fertig war, wurde die Tafel aufgehoben. Es heisst, dass
    er sehr schnell gegessen hat weil er so fleissig war. Da kann man nur
    hoffen, dass die, die am Ende der Tafel sassen, fuer ein angenehmes
    Zweitmittagessen geplant haben, natuerlich auch mit tadellosen Tischmanieren,
    oder?

    • Da die Rangordnung und die damit verbundenen Nachteile wohl allen bekannt waren, stelle ich mir auch vor, wie die Herrschaften “am unteren Ende” schon im Vorfeld Reservierungen und Verabredungen für einen sättigenden Lunch ausgemacht haben. In einer ordentlichen Wiener Restauration mit genügend Zeit, um in Ruhe nachzuholen, was ihnen zuvor trotz oder wegen tadelloser Tischmanieren vorenthalten worden war ; )

  7. super post !! one of my favorite topics ! i agree with everything. But the fact that americans put their left hand on their lap – i think it is more the fact that they dont know better and have not been taught perfect table manners….
    ps you can check out one of my first posts on table manners that I wrote last september
    http://alexavoncanisius.com/2012/lifestyle/dinner-at-buckingham-palace/

    xxx
    Alexa

    • Thank you Alexa !! I read your table-manner-post today and I love it. Especially the pics with your beautiful porcelain ! XXX

  8. Hallo! Danke für die Horizonterweiterung. Das mit dem Colt war mir neu und ist, wenn man darüber nachdenkt, absolut schlüssig.
    Weißt Du auch, wieso die Gabeln, ursprünglich ja mit zwei, plötzlich mehr Zinken bekamen? Die Verbreitung der Kartoffel war’s, denn mit zwei Zinken kann man nicht matschen (zerdrücken). Manchmal setzen sich schlechte Manieren durch.
    LG + XX – S

    • Aha, die Zinken sind schuld: Igitt, Kartoffel matschen – auch noch so eine fürchterliche Unart. Hab ich komplett verdrängt!
      Und auch heute gilt noch für alle, die es genau nehmen: die gekochte Kartoffel niemals mit dem Speisemesser zerteilen, wenn dieses noch mit einer Carbonstahlklinge ausgestattet ist. Diese läuft durch den Kartoffelsaft nämlich schneller unschön an und muss entsprechend mehr geputzt werden.
      Habe übrigens einen Post über den einzigen Profi-Messerschleifer der Stadt in der Pipeline, dauert aber noch ein bißchen.
      XX + LG

  9. Liebe Julia,
    Wieder so ein amüsanter Beitrag! Kompliment! Du schaffst es, nüchterne Fakten so witzig mit einem Hauch von Ironie zu verpacken. Es macht wirklich Spaß, solch Texte zu lesen. Ich freue mich schon jetzt auf die zukünftigen Artikel zu dieser Serie.
    Liebe Grüße,
    Claire

    • Liebe Claire, vielen Dank, das freut mich wirklich sehr! Wenn es noch Wunschtopics zum Thema gibt, immer her damit : ) XX Julia

please leave your comment

Post Navigation